Skitourenguru

Risiko-Indikator

Was steckt eigentlich hinter dem Risiko-Indikator? Der Risiko-Indikator zeigt an, ob das Risiko einer Route "tief", "erhöht" oder "hoch" ist. Was genau diese Adjektive bedeuten kann unter Symbolik nachgelesen werden. Der Risiko-Indikator ist gleichzeitig aber auch eine Dezimalzahl im Intervall [0..3].

  • Grün: tiefes Risiko - Werte im Bereich [0..1]
  • Orange: erhöhtes Risiko - Werte im Bereich [1..2]
  • Rot: hohes Risiko - Werte im Bereich [2..3]

Der Risiko-Indikator macht es damit möglich zu verstehen, wie weit das Risiko von der nächsten Risiko-Kategorie entfernt liegt. Eine Route mit dem Risiko-Indikator 0.99 weist zwar ein "grünes" Risiko auf, unterscheidet sich aber kaum von einer "orangen" Route mit dem Risiko-Indikator von 1.01. Es geht also darum zu verstehen, ob eine Route eher im oberen oder unteren Bereich einer spezifischen Risiko-Kategorie liegt. Diese Transparenz ist sehr wichtig.

Hinter dem Risiko-Indikator steckt jedoch auch eine ganz konkrete Sterbenswahrscheinlichkeit. Mit Hilfe der folgenden Tabelle lässt sich für jeden Risiko-Indikator im Bereich [0..3] die Sterbenswahrscheinlichkeit nachsehen.

SLABS-1LR Formel

Nehmen wir beispielsweise einen Risiko-Indikator von 1.5 (Mitte orange) und tragen diesen auf der y-Achse ein, dann können wir auf der x-Achse den Wert 4.71 ablesen. Da die y-Achse logarithmisch (10er-Logarithmus) ist, entspricht dies einer Sterbenswahrscheinlichkeit von 1:51'286. D.h. auf 51'000 Personenskitourentage kommt ein Todesoper. Die folgende Tabelle listet ein paar weitere Risiko-Indikatoren auf:

ReiheAktivitätRisiko-Indikatorlog10(1/p)1/pRatio zu Reihe 1
1 Skitouren 0.5 (6h) 0.5 (grün) 5.88 758'578 1.00
2 Skitouren 1.0 (6h) 1.0 5.17 147'911 5.13
3 Skitouren 1.5 (6h) 1.5 (orange) 4.71 51'286 14.79
4 Skitouren 2.0 (6h) 2.0 4.31 20'417 37.15
5 Skitouren 2.5 (6h) 2.5 (rot) 3.92 8'318 91.20
6 Skitouren 3.0 (6h) 3.0 3.53 3'388 223.87
7 Skitouren ⌀ (6h) 1.11 (orange) 5.06 114'386 6.63
8 Autofahren ⌀ (6h) 0.41 (grün) 6.08 1'207'884 0.63
9 Tunnelbau ⌀ (8h) 0.45 (grün) 5.99 968'056 0.78

Besonders interessant ist die letzte Kolonne. Nennen wir eine Person, die nur auf Skitouren mit einem Risiko-Indikator von 0.5 (mittleres grün) unterwegs ist den Herrn "Vorsicht" (Reihe 1). Eine Person, die immer mit dem Risiko-Indikator 1.5 (mittleres Orange) unterwegs ist, geht bereits ein 14.79 mal höheres Risiko ein. Eine Person, die immer auf 3.0 (hohes rot) unterwegs ist, geht bereits ein 223.87 mal höheres Risiko ein als Mr. "Vorsicht". Der enorme exponentielle Anstieg des Risikos mit dem Risiko-Indikator wird offensichtlich.

Eine Person, die auf einer Skitour mit 3.0 (hohes rot) unterwegs ist, geht jedes mal ein Sterbensrisiko von 1:3'388 ein (Reihe 6). Ein solches Risiko mag auf den ersten Blick als tief erscheinen. Man beachte aber, dass eine Vielgänger:in ohne weiteres in 50 Jahren ca. 2000 Skitouren machen kann (bei 40 Skitouren pro Jahr). D.h. diese Person wird höchst wahrscheinlich irgendwann in einer Lawine sterben. Keine schöne Aussicht. Ein Sterbensrisiko von 1:3000 ist unerträglich hoch. Ein vernunftbegabter Mensch möchte dieses Risiko nicht eingehen.

Interessant sind auch Vergleiche mit uns mehr oder weniger vertrauten Alltagsrisiken. Solche Vergleiche sind nicht einfach, denn alles hängt von der Expositionsgrösse ab. Rechnen wir pro Zeit, pro Strecke oder pro Sprung (Base-Jumping). Wir wollen hier immer pro Tag rechnen. Damit macht ein Vergleich mit Base-Jumping schon mal keinen Sinn. Es wird kaum jemand 6 oder 8h lang einen Sprung nach dem anderen absolvieren. Ein Vergleich mit Schwimmen wäre interessant, aber womit vergleichen wir, mit 6h schwimmen. Wir müssen vergleichbare Aktivitäten finden.

  • Autofahren (6h): Fahren wir 6h mit dem Auto, haben wir ein Sterbensrisiko von ca. 1:1.2 Mio (Excel-Tabelle). Dies würde in etwa einem Risiko-Indikator von 0.41 entsprechen. Der Herr "Auto" lebt also weniger gefährlich, als Herr "Vorsicht". Aber aufgepasst, hier vergleichen wir nicht wirklich gleiches mit gleichem. Beim Autofahren fallen auf jedes Todesopfer ca. 10 Schwerverletzte, die unter Umständen ein Leben lang an diesen Autounfall zurückdenken werden. Beim Lawinenrisiko gibt es zwar auch Schwerverletzte, aber oft genug sind die Konsequenzen von Lawinen "schwarz" (tot) oder "weiss" (ohne nennenswerten Schaden überlebt). Ob es wirklich sinnvoll ist eine sechsstündige Autofahrt einer sechsstündigen Skitour vorzuziehen sei hier offen gelassen.
  • Tunnelbau (8h): Der Bau des Gotthardbasistunnel hat 9 Todesopfer gefordert. Wenn während 17 Jahren 1500-2600 Arbeiter an diesem Tunnel gebaut haben, dann liegt das Risiko bei ca. 1:1 Mio. Dies entspricht einem Risiko-Indikator von 0.45. Eine Tunnelbauer:in ist also ähnlich gefährlich unterwegs, wie Herr "Vorsicht". Mit diesem Beispiel stellt sich eine interessante Frage: Ist es ethisch vertretbar einen solchen Tunnel zu bauen, wo von Beginn weg klar ist, dass dieser Tunnel ca. 10 Menschenleben kosten wird? Nun denn, ja es ist ethisch vertretbar, denn die meisten Alternativen wären nicht viel besser. Angenommen man hätte die Arbeiter:innen in die Frühpension geschickt, dann wären an den daraus folgenden Freizeitaktivitäten eine ähnliche Anzahl an Menschen gestorben. Das Leben ist gefährlich und endet immer tödlich. Auch dieser Vergleich hinkt: Eine Tunnelarbeiter:in arbeitet Jahr für Jahr, 250 Tage pro Jahr. Es wird kaum jemand mit dieser Frequenz auf Skitour gehen. Wir können den Vergleich deshalb anpassen: Eine Pensionär der 25 Skitouren pro Jahr macht, geht in etwa dasselbe Risiko ein, wie eine Tunnelarbeiterin, die 250 Tage pro Jahr an Tunnels baut.

Im Durchschnitt fällt beim Skitourengehen auf 114'386 Skitourenpersonentage ein Lawinenopfer. Dies entspricht einem Risiko-Indikator von 1.11 (tiefes orange). Im Durchschnitt ist Skitourengehen also ein relativ gefährlicher Sport. Auf jeden Fall gefährlicher, als Auto fahren oder Tunnels bauen. Es hat schon seinen guten Grund weshalb die SUVA diesen Sport als relatives Wagnis einstuft. Allerdings ist die Bandbreite sehr gross. Wenn ich mit einem Risiko-Indikator von 0.5 unterwegs bin, dann bin ich bereits mit einem 6.63 mal tieferem Risiko unterwegs als der Durchschnitt. Wenn ich hingegen mit einem Risiko-Indikator von 2.5 unterwegs bin, dann bin ich mit einem 13.38 mal höheren Risiko unterwegs als die durchschnittliche Skitourengängerin. Es liegt an uns, wir entscheiden, wie wir diesen Sport ausüben.

Es versteht sich von selber, dass es sich bei allen diesen Zahlen um sogenannte statistische Schätzwerte handelt. Es geht um die Grössenordnung, nicht um die genaue Zahl.

Fazit:

  • Das Risiko steigt exponentiell (stark über-proportional) mit dem Risiko-Indikator
  • Es lohnt sich im "grünen Bereich" unterwegs zu sein. Möchtest du dennoch im "orangen Bereich" unterwegs sein, dann bist du gut beraten unterhalb 1.5 zu bleiben.
  • Die Bandbreite ist hoch. Skitourengehen kann ein sehr sicherer Sport sein (grün), er kann aber auch ein grotesk gefährlicher Sport sein (rot).

Hier geht's weiter zum Risiko-Indikator auf Französisch.