Zwischenstufen
1. Was sind Zwischenstufen?
Seit dem Winter 2022/23 unterteilt das SLF die Gefahrenskala mit sogenannten Zwischenstufen. Die fünf Stufen werden weiterhin wie gewohnt verwendet, aber neu mit Zwischenstufen ergänzt: Ein angefügtes Minus bedeutet, die Gefahr liegt eher im unteren Bereich der angegebenen Gefahrenstufe, mit einem Plus liegt sie eher im oberen Bereich, ein Gleichheitszeichen heisst, dass sie etwa in der Mitte liegt. Man beachte die Beiwörter "etwa" und "eher"! Inwieweit das Beispiel des SLF Schule machen wird, wird sich zeigen.
Wie kann diese Zusatzinformation genutzt werden?
- Angenommen ich habe die Wahl zwischen zwei Gefahrengebieten, eines mit erheblich-minus und eines mit erheblich, dann kann ich dem Gebiet mit erheblich-minus den Vorzug geben und dadurch mein Risiko senken.
- Die Grafische Reduktionsmethode (GRM) oder die DAVSnowCard können fast perfekt mit Zwischenstufen umgehen.
2. Wie kann ich von Hand Zwischenstufen ableiten?
Etliche Lawinenwarndienste Europas bestimmen die Gefahrenstufe mit Hilfe der sogenannten EAWS-Matrix. Damit die Gefahrenstufe abgeleitet werden kann, müssen die Lawinenwarner zuvor drei Faktoren bestimmen:
- Schneedeckenstabilität: good, fair, poor, very poor
- Häufigkeit der Gefahrenstellen: none, few, some, many
- Lawinengrösse: small (1), medium (2), large (3), very large(4), extemely large (5)
Sobald die Lawinenwarner diese Faktoren bestimmt haben, können sie die Gefahrenstufe in der EAES-Matrix nachsehen.
Schauen wir uns den Lawinenlagebericht vom Tirol, Südtirol und Trentino im Detail an. Die Fig. 1 zeigt die Lawinenprobleme für ein spezifisches Gefahrengebiet:
Fig. 1: Lawinenproblem in einem Gefahrengebiet des Tirols
Nun suchen wir uns jenes Lawinenproblem heraus, dessen Faktoren am gravierendsten sind. Das ist ganz offensichtlich das Altschnee-Problem mit den folgenden Faktoren:
- Schneedeckenstabilität: sehr schlecht = very poor
- Häufigkeit der Gefahrenstellen: einige = some
- Lawinengrösse: gross = large (3)
Als nächstes schauen wir die Gefahrenstufe in der EAWS-Matrix nach. Da die Schneedeckenstabilität bei very poor liegt, verwenden wir die Grafik ganz links der Fig. 2.
Fig. 2: EAWS-Matrix
Wenn die Häufigkeit der Gefahrenstellen bei some und die Lawinengrösse bei large(3) liegt, dann landen wir bei einer Zelle in der 3(4), also 3 Klammer 4 steht. Damit das geht müssen wir wissen, wie sich die Lawinengrösse in eine Zahl übersetzt:
- klein = small (1)
- mittel = medium (2)
- gross = large (3)
- sehr gross = very large (4)
- extrem gross = extremely large (5)
Doch was bedeutet nun 3(4)? Ein Paper zur EAWS-Matrix führt den folgenden Satz auf:
- en: When applying the matrix in Figure 2 you should use the first DL (Danger Level) given in the cell. An optional DL in parenthesis indicates that forecasters might disagree with a tendency towards this DL.
- de: Bei der Anwendung der Matrix in Abbildung 2 sollten Sie die erste in der Zelle angegebene Gefahrenstufe verwenden. Eine optionale Gefahrenstufe in Klammern zeigt an, dass die Prognostiker mit einer Tendenz hin zu dieser optionalen Gefahrenstufe mit der hauptsächlichen Gefahrenstufe nicht einverstanden sein können.
Wenn wir also bei 3(4) landen, dann gilt ein Bereich von erheblich(3) mit Tendenz in Richtung der Gefahrenstufe gross(4). Wir bewegen uns also eher im oberen Bereich der Gefahrenstufe erheblich(3), also erheblich-plus. Wo genau wir uns im Spektrum der Gefahrenstufe erheblich(3) befinden, wissen wir nicht, aber eher oben, als in der Mitte oder unten. Eine solche Information ist natürlich unsicher, unsicher ist aber fast alles, was mit Lawinen zu tun hat. Wenn wir uns als rationale Entscheidungsträger sehen, sind wir gut beraten, diese Zusatzinformation in unsere Entscheidungsfindung miteinzubeziehen.
3. Wie leitet Skitourenguru Zwischenstufen ab?
In Österreich, Deutschland und Italien werden die Zwischenstufen gemäss der oben beschriebenen Prozedur abgeleitet. Aus Sicherheitsgründen hat Skitourenguru drei Vorkehrungen getroffen:
- "Korrektur" nur nach oben: Skitourenguru zeigt zwar im Block zum Lawinenbulletin die abgeleitete Zwischenstufen an, aber die Zwischenstufe wird im Algorithmus immer nur dann verwendet, wenn eine "Korrektur" nach oben stattfand. Angenommen ein Lawinenwarndienst publiziert ein erheblich, Skitourenguru leitet mit der Hilfe der EAWS-Matrix eine erheblich-minus ab, dann wird dieses erheblich-minus zwar angezeigt, in den Algorithmus wird aber ein erheblich eingespiesen.
- Die ganzzahlige Gefahrenstufe wird nie verändert: Skitourenguru gewährleistet, dass die Gefahrenstufe maximal um eine Zwischenstufe von der publizierten Gefahrenstufe abweicht. Angenommen ein Lawinenwarndienst publiziert ein mässig, Skitourenguru leitet mit der Hilfe der EAWS-Matrix eine erheblich-minus ab, dann wird bei Skitourenguru ein mässig-plus angezeigt. Das mässig-plus wird auch so in den Algorithmus von Skitourenguru eingespiesen. Die ganzzahlige Gefahrenstufe wird also nie verändert. Ein 2er bleibt ein 2er.
- Transparente Anzeige: Damit klar ist, welche Information aus dem Lawinenbulletin woher stammt, wird abgeleitete Information transparent angezeigt, Roh-Information hingegen wird opak ( Das Gegenteil von "transparent") angezeigt.
Welche Daten genau in den Algorithmus eingespiesen werden ist im Block Grundlage für Skitourenguru immer ersichtlich. Falls du mit der eingepiesenen Gefahrenstufe nicht einverstanden bist, kannst du mit Hilfe des Buttons Experimentiere mit Route andere Lawinenbulletins ausprobieren.
4. Fragen und Antworten
Sind die Lawinendienste überhaupt dazu in der Lage solche Zwischenstufen festzulegen?
Das SLF hat die Zwischenstufen 5 Jahre lang bestimmt ohne sie dem Publikum zu kommunizieren. Anschliessend wurden die Daten ausgewertet. Ein Paper von Techel et al. (2022) zeigt sehr eindrücklich auf, dass die Zwischenstufen Träger von zusätzlicher Information sind. Ob dasselbe auch für andere Lawinenwandienste gilt, darf vermutet werden.
Wird hier nicht die Gefahrenstufe verfälscht?
Wichtig ist es die Gefahrenstufe um nicht mehr als eine Zwischenstufe "zu korrigieren". Damit ist gewährleistet, dass wir immer in der kommunizierten ganzzahligen Gefahrenstufe bleiben. Die Gretchenfrage lautet, ob es sich bei der Zwischenstufe um Zusatzinformation oder nur um Noise (Rauschen) handelt. Ein Paper von Techel et al. (2022) zeigt sehr eindrücklich auf, dass die Zwischenstufen Träger von zusätzlicher Information sind. Im Durchschnitt führt dies zu einer Qualitätssteigerung der Resultate von Skitourenguru.
Wie deckt sich das mit den Auswertungen, die von Tirol, Südtirol und Trentino durchgeführt wurden?
Diese Frage kann Skitourenguru nicht beantwortet, denn die Auswertungen wurden bis anhin noch nicht publiziert.
Stimmt die Stossrichtung?
In Kursen wird schon lange unterrichtet, wie man aus der Gefahrenbeschreibung im Lawinenbulletin herauslesen kann, ob die aktuelle Situation tief oder hoch in der Gefahrenstufe ist. Implizite Information wird dank den Zwischenstufen explizit gemacht. Im Sinne einer maximalen Transparenz stimmt die Stossrichtung.
Bringt die Einführung der Zwischenstufen eine Gefahr mit sich?
Wer die Zwischenstufen nicht beachtet, vergibt eine wichtige Information. Gefährlicher als heute ist das nicht. Aber die Minusgrade sollten ernst genommen werden. Ein erheblich-minus heisst nach wie vor erhebliche Gefahr und darf nicht zur Gefahrenstufe mässig schöngeredet werden.
Warum wird das Icon der Gefahrenstufe manchmal "transparent" angezeigt?
Bei der Darstellung des Inhalts eines Lawinenbulletins werden Elemente dann "transparent" dargestellt, wenn der entsprechende Inhalt von den Rohdaten des Lawinenbulletins abgeleitet wurde. Rohdaten werden hingegen "opak" (das Gegenteil von "transparent") angezeigt.