Skitourenguru

Validierung der Risiko-Kategorien mit Unfalldaten aus der Schweiz

1. Konzept

Skitourenguru bestimmt täglich die Risiko-Kategorie (tief, erhöht und hoch) für über 1000 Routen der Schweiz. Doch wie hoch ist die Qualität der zugewiesenen Risiko-Kategorien? Um das zu bestimmen, hat Skitourenguru die Unfälle der Winter 2001/02 bis 2016/17 mit Personenbezug aus den Winterberichten des SLF etrahiert. Es wurden alle Unfälle verwendet, denen ein Vorabendbulletin zugewisen werden konnte und dessen Unfallstelle mit "genau" und "zuverlässig" markiert ist. Von 1695 Unfällen konnten schlussendlich 1469 Unfälle verwendet werden. Aus einer Studie von Frank Techel und Jürg Schweizer (2017) ist übrigens bekannt, dass ca. 95 % der entsprechenden Unfalllawinen durch Personen ausgelöst wurden.

Im nächsten Schritt wurde jeder Unfall einer der 1000 Routen von Skitourenguru zugewiesen, sofern er sich in genügender Nähe zu dieser Routen ereignet hat. Dabei wurde mit den Distanzmassen (30 m, 40 m und 50 m) gearbeitet. Als Referenzpunkt wurde nicht der Lawinenanrisspunkt (höchster Punkt des Lawinenanrisses), sondern die Mitte einer 60 m langen Falltrajektorie (orange) genommen. Der entsprechenden Punkt kommt im Durchschnitt in etwa auf der Mitte des Lawinenanrisses zu liegen. Mit Hilfe des Ereignisdatums und des Vorabendbulletins konnte die Risiko-Kategorie der zugeordneten Route bestimmt werden.

Es wird hier also gewissermassen angenommen die verunfallten Wintersportler haben sich auf der zugewiesenen Route befunden und diese hätte auch auf dem Programm gestanden. Ob dem in Wirklichkeit auch so war, lässt sich im Nachhinein nicht mehr festlegen. Es könnte ebenso gut sein, dass die Wintersportler per Zufall die Route gekreuzt haben und dann am Kreuzpunkt eine Lawinen ausgelöst haben. Dies mag zum Teil der Fall gewesen sein, viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Wintersportleer auf einer der üblichen Routen von Skitourenguru unterwegs waren.

2. Resultate

Von den erwähnten 1469 Unfällen lagen je nach Distanzmass 67, 97 bzw. 121 Unfälle nahe genug an einer Route von Skitourenguru. Die allermeisten Unfälle geschahen also weit entfernt von üblichen Routen. Nun möchten wir wissen, wie viele dieser Routen welche Risiko-Kategorie aufwiesen. Die folgende Tabelle gibt die Antwort:

Risiko-Kategorie 30 m 40 m 50 m
Grün (tiefes Risiko) 7 (10.45%) 12 (12.37%) 19 (15.7%)
Orange (erhöhtes Risiko) 31.5 (47.01%) 42.5 (43.81%) 54.5 (45.04%)
Rot (hohes Risiko) 28.5 (42.54%) 42.5 (43.81%) 47.5 (39.26%)
Total 67 (100%) 97 (100%) 121 (100%)

Es zeigt sich, dass maximal 10-15% der Unfälle bei "tiefem Risiko" stattgefunden haben. Ob dem wirklich so ist, wird das nächste Kapitel zeigen.

3. Einzelfalluntersuchung

Von besonderem Interesse sind natürlich alle Unfälle, dessen zugewiesene Routen die Risiko-Kategorie "tief (grün)" aufwies. Hier ist etwas schief gelaufen. Wir wollen deshalb systematisch alle Unfälle, die näher als 40 m an einer gängigen Route liegen untersuchen. Jede Unfalllawine wird mit einer 60 m langen Falltrajektrorie (orange) beschrieben. Diese Linie startet am Lawinenanrisspunkt (höchster Punkt des Lawinenanrisses) und endet in etwa am untersten Punkt des Lawinenanrisses. In der Mitte befindet sich ein grüner Punkt, der in etwa im Zentrum des Lawinenanrisses zu liegen kommt. Die Karten zeigen auch die Routen von Skitourenguru (blau) und die Neigungskarte. Die Neigungskarte erlaubt es die Plausibilität des Unfallortes zu überprüfen. Jeder Kommentar beginnt mit dem Vermerk "Negativ" oder "Positiv". "Negativ" bedeutet, dass diesem Unfall in der Statistik wenig bzw. keine Bedeutung zukommt.

Negativ: Das Gelände in weiter Umgebung um die angebliche Unfallstelle ist unter 10° steil. Hier stellt sich die Frage, ob die Unfallstelle falsch erfasst wurde. Falls sie richtig erfasst wurde, ist davon auszugehen, dass es sich hier um einen kleinen Rutsch mit geringen Konsequenzen gehandelt hat.

Positiv: Diese Unfalllawine könnte ohne weiteres von der Route per Fernauslösung ausgelöst worden sein. Die Gefahrenstufe lag auf gering.

Positiv: Diese Unfalllawine könnte ohne weiteres von der Route ausgelöst worden sein. Die Gefahrenstufe lag auf mässig oberhalb 2500 m in den Expositionen W-N-E.

Positiv: Diese Unfalllawine könnte von der Route ausgelöst worden sein. Ob sich die fraglichen Wintersportler aber wirklich gut auf der Rippe gehalten haben, kann nicht mehr bestimmt werden. Die Gefahrenstufe lag auf mässig oberhalb 2200 m in den Expositionen W-N-E.

Negativ: Diese Lawine wurde ausgelöst beim Versuch über die Nordflanke des Chrachenhorns abzufahren.

Negativ: Dieser Unfall sieht stark nach einem Wächtenabbruch auf dem Gipfel des Furggahorns aus.

Negativ: Das Gelände in weiter Umgebung um die angebliche Unfallstelle ist unter 25° steil. Hier stellt sich die Frage, ob die Unfallstelle falsch erfasst wurde. Falls sie richtig erfasst wurde, ist davon auszugehen, dass es sich hier um einen kleinen Rutsch mit geringen Konsequenzen gehandelt hat.

Positiv: Diese Unfalllawine könnte ohne weiteres von der Route ausgelöst worden sein. Der Risiko-Indikator lag bei 0.94, also schon sehr nahe zu "erhöhtem Risiko". Die Gefahrenstufe lag auf erheblich oberhalb 1800 m in den Expositionen W-N-E.

Positiv: Diese Unfalllawine könnte ohne weiteres von der Route ausgelöst worden sein. Die Gefahrenstufe lag auf gering.

Positiv: Diese Unfalllawine befindet sich exakt auf der Route. Obwohl der "Hang" hier recht konvex ist, konnte eine Lawine ausgelöst werden. Die Gefahrenstufe lag auf mässig oberhalb 2000 m in allen Expositionen.

Positiv: Diese Unfalllawine könnte ohne weiteres von der Route ausgelöst worden sein. Der Risiko-Indikator lag bei 0.98, also schon sehr nahe zu "erhöhtem Risiko". Die Gefahrenstufe lag auf mässig oberhalb 2500 m in den Expositionen W-N-E.

Positiv: Diese Unfalllawine könnte ohne weiteres von der Route per Fernauslösung ausgelöst worden sein. Der Risiko-Indikator lag bei 0.99, also schon sehr nahe zu "erhöhtem Risiko". Die Gefahrenstufe lag auf mässig oberhalb 2200 m allen Expositionen.

Negativ: Die Lawine wurde in der Ostflanke des Vilans ausgelöst, die Normalroute verläuft jedoch auf der Rippe südlich der Ostflanke.

Ungefähr zwei fünftel der Unfälle sind nicht weiter relevant für die Auswertung. Es verbleiben aber immer noch acht Unfälle dessen zugeordnete Route ein "tiefes Risiko" aufwies. Das kann unterschiedliche Gründe haben:

  1. "Tiefes Risiko" heisst nicht "kein Risiko".
  2. Der Lawinenlagebericht kann "falsch" gewesen sein.
  3. Der Unfallort kann falsch erfasst worden sein.
  4. Es kann sich um einen kleinen Rutsch ohne weitere Konsequenzen gehandelt haben.
  5. Es kann sich um statistische Ausreisser handeln.

4. Fazit

Die meisten Unfälle (ca. 93.4 %) ereignen sich weit ab von üblichen Routen. Von denjenigen Unfällen, die sich nahe an einer Route von Skitourenguru ereigneten, wiesen dessen zugeordnete Routen nur in den seltensten Fällen (zu ca. 5-10%) ein "tiefes Risiko" auf. Skitourenguru leistet also passable Arbeit, wenn bereits am Vorabend in der warmen Stube durch einen einfachen Blick auf eine Web-Seite über 90-95% der Unfälle zu vermeiden wären.

Die Untersuchung unterliegt den folgenden Einschränkungen:

  • Wir wissen nicht, welche Route die Wintersportler unternommen haben bzw. unternehmen wollten.
  • Eine interessante Frage stellt sich mit der Annahme alle Skitourengänger würden sich nur noch auf dem Routennetz von Skitourenguru bewegen. Würden sich die Unfälle dann verlagern auf das Routennetz? Oder gäbe es einfach nur wesentlich weniger Unfälle? Ausgehend von dieser Untersuchung lässt sich die folgende Empfehlung ableiten: Man halte sich an den Verlauf von üblichen Routen!
  • Ein Problem stellt sich mit der nicht immer zweifelsfreien Qualität der Unfallerfassung. Insbesondere bleibt der genaue Auslösepunkt unbekannt.

Diese Untersuchung folgt dem Ansatz, das zu prüfen, was sich prüfen lässt. Verbesserungsvorschläge sind willkommen...